Nicolo Bass | Flurin Bertschinger
Heute noch zeugen die Ackerterrassen in der Landschaft des Unterengadins und zahlreiche alte Korntruhen in den Häusern von der Bedeutung der Getreidekultur. «Akerbau und Viehzucht sind die wahren Nahrungszweige dieses Thals», stellte ein Chronist 1784 fest. Als Kornkammer galt besonders der unterste Talabschnitt, die heutige Gemeinde Valsot. Angebaut wurden vor allem Roggen und Gerste. Das Getreide diente zuerst für den eigenen Konsum, dann als beliebtes Zahlungsmittel an Stelle des seltenen Bargelds und schliesslich auch für den Export. Man rechnete mit Scheffel (möz, mozza) und Sechstel-Scheffel (ster, stera).
Wegen tiefer Viehpreise und Trockenheit mussten die Bündner Landwirte vor über 30 Jahren nach Alternativen suchen. Mit Peter Rieder, Professor an der ETH Zürich, als Zugpferd wurden verschiedene Projekte entwickelt, zum Beispiel der Kräuteranbau im Puschlav oder der Anbau von Blaudisteln. Eines dieser Entwicklungs- projekte befasste sich mit dem Getreideanbau. Da schon früher viel Getreide im Albulatal angebaut wurde, verfolgten die Initianten die Idee vorerst dort weiter.
Mit Peer Schilperoord holten sie einen ausgewiesenen Getreidefachmann ins Boot. Im Jahre 1987 wurde dann die Genossenschaft Gran Alpin gegründet. Wichtiges Ziel damals war, nicht nur den Getreideanbau im Albulatal zu fördern, sondern auch die Getreidesammlung und die Verarbeitung zu ermöglichen. Schon früh versuchte sich Gran Alpin auch mit Braugerste. Es ist kein Zufall, dass der Gründungspräsident von Gran Alpin, Hans Caspar Trepp, bei der Gründung der Bieraria Tschlin SA in den Verwaltungsrat gewählt wurde.
Die gute Zusammenarbeit hält noch heute an. Zwar sitze Gran Alpin nicht mehr im Verwaltungsrat der Bieraria Tschlin SA, doch der Austausch sei eng, sagt Maria Egenolf. Sie ist seit 2008 Geschäftsführerin bei Gran Alpin. Bei ihr laufen alle Fäden zusammen, vom Getreideanbau bis zur Vermarktung. 21 Bauernbetriebe aus dem Unterengadin belieferten im Jahr 2018 Gran Alpin mit Getreide.
Unter den für Gran Alpin produzierenden Landwirtschaftsbetrieben sind auch zwei Bun Tschlin-Mitglieder: Martin Bischoff aus Ramosch und Gian Denoth aus Tschlin. Vier weitere Betriebe aus Valsot beliefern Gran Alpin ebenso. Insgesamt bewirtschaften die Gran Alpin-Landwirte 57 Hektaren in Graubünden, 18 Hektaren davon stehen im Engadin. Die Braugerste von Gran Alpin wird ausschliesslich in Bio-Qualität und im Berggebiet über 1000 Höhenmetern angebaut.
Die Braugerste aus den Bündner Bergen liefert die Genossenschaft Gran Alpin an drei Brauereien aus: an die Brauerei Locher im Appenzell, an die Brauerei Monstein in Davos und eben an die Bieraria Tschlin SA. Die braut damit Biere in bester Bio-Qualität – und sogar gebrannte Wasser mit Tschliner Quellwasser.