Nicolo Bass | Fotos: Staatsarchiv Graubünden | Lukas Denzler | Gian Cla Feuerstein
Im Lawinenwinter 1951 sind schweizweit rund 1300 Schadenlawinen niedergegangen. Insgesamt wurden 234 Personen erfasst, 98 Personen starben. Auch im Engadin hatte der Jahrhundert-Lawinenwinter vor genau 70 Jahren tragische Auswirkungen. Danach hat die Schweiz mehr als zwei Milliarden Franken in den Lawinenschutz investiert. Dass sich die Investitionen gelohnt haben, zeigte sich im Lawinenwinter 1999. Trotz Mobilität und stärkerem Verkehrsaufkommen, waren die Schäden und die Anzahl Todesopfer im Verhältnis geringer. Gemäss einem Bericht des Schweizer Instituts für Schnee und Lawinenforschung (SLF) konnten rund 300 Schadenlawinen durch Verbauungen verhindert werden.
Auf dem folgenden Bild sind die Motta d’Alp-Lawinenverbauungen 1951 inkl. handschriftlicher Notizen zur Geografie zu sehen. Das Foto wird uns vom Staatsarchiv Graubünden zur Verfügung gestellt.
Bereits im 14. Jahrhundert erkannte man, wie wichtig Wälder zum Schutz vor Lawinen sind und Bannwälder wurden per Dekret vor Rodungen geschützt. Knapp 200 Jahre später wurden erste bauliche Schutzmassnahmen wie Spaltkeile und Lawinenmauern realisiert. Zum Beispiel wurde 1602 die Frauenkirche in Davos mit einer keilförmigen Lawinenmauer wiederaufgebaut, nachdem diese von einer grossen Lawine in Frauenkirch zerstört wurde. Als erster begann Johann Coaz (1822 – 1918) Lawinen systematisch zu dokumentieren und zu kartographieren. Er war eine herausragende Persönlichkeit: Privatsekretär von General Dufour, Kartograph und Initiant der Dufourkarte, Erstbesteiger des Piz Bernina, Förderer der Forstwirtschaft und insbesondere Mitbegründer des Schweizerischen Nationalparks. Auch der Schutz vor Lawinen war dem Bündner Oberforstinspektor ein grosses Anliegen. Sein Monumentalwerk «Die Lawinen der Schweizer Alpen» aus dem Jahre 1881 galt lange Zeit als Standardwerk für den Lawinenschutz und wird, gemäss einem Bericht von Stefan Margreth und Jürg Schweizer, beide Mitarbeiter des SLF, noch heute konsultiert. Darin wurden zum ersten Mal Erkenntnisse und Erfahrungen zur Entstehung und Verbreitung von Lawinen, zu Schäden wie auch Lawinenschutzmassnahmen zusammengestellt.
Das nachfolgende Bild zeigt eine Zeichnung einer Lawinenverbauung von Johann Coaz in „Statistik und Verbau der Lawinen in den Schweizeralpen“, 1910. Auch dieses Bild wird vom Staatsarchiv Graubünden zur Verfügung gestellt.
Johann Coaz spielte auch im Lawinenwinter 1888 eine Schlüsselrolle. Er verfasste eine Ereignisdokumentation, welche aufzeigte, dass sich die bisherigen Verbauungen mehrheitlich bewährten. Die Folge war ein regelrechter Bauboom: Bis 1908 wurden 200 Verbauungen realisiert. Die erste technische Verbauung in den Schweizer Alpen realisierte Johann Coaz im Jahre 1868 auf der Motta d’Alp in Martina. Im Winter 1867 war eine grosse Grundlawine angebrochen, die entlang von fünf Lawinenbahnen durch den steilen Wald von Contscheras bis ins Tal vorstiess. Die Lawine verursachte grossen Waldschaden. Im Anrissgebiet wurden gemäss SLF 19 Mauern mit einer Länge von 412 m gebaut. Zusätzlich wurden zum Schutz der Aufforstung 17 Pfahlreihen mit einer Länge von 509 m realisiert, die mit rottenartigen Baumpflanzungen ergänzt wurden. Die damaligen Projektkosten betrugen rund 1600 Franken. Die Verbauung auf der Motta d’Alp hatte sich bewährt und die Aufforstung war geglückt, so dass kein Lawinenabbruch mehr zu befürchten war. Diese Verbauung wurde über die Grenzen hinaus bekannt und Fachleute aus Österreich und Frankreich führten in ihren Ländern ähnliche Verbauungen aus.
Die drei Herbstbilder der Motta d’Alp-Verbauungen wurden im Oktober 2020 aufgenommen (Fotos: Lukas Denzler).
Nach dem Vorbild der Motta d’Alp Verbauungen von 1868 wurden später in ganz Graubünden Lawinenverbauungen erstellt. Zum Beispiel Ende des 19. Jahrhunderts am Schafberg oberhalb von Pontresina. Das Winterbild wurde aufgenommen von Gian Cla Feuerstein.