Geschichten aus Tschlin

Weit mehr als ein Heimatmuseum

Mike Weibel | Flurin Bertschinger

Am richtigen Ort

Es gibt moderne Museumsbauen, von Stararchitekten entworfen. Und es gibt Museen wie die Stamparia in Strada, wo das Gebäude die Ausstellung stimmig aufnimmt, weil sie direkt in Bezug dazu steht. Denn zwischen 1689 und 1881 druckten hier Nuot Cla Janett und seine Nachfolger Bücher und Zeitungen. Die darauffolgenden hundert Jahre diente das geräumige Haus der Familie Scharplatz als Heimstätte. Diese Zeitspanne ist in der Stamparia authentisch dokumentiert.

Von Tschlin nach Stada

Ursprünglich gründete Nuot Cla Janett seine Druckerei 1679 in Tschlin. Man stelle sich vor, wie zu dieser Zeit die schweren Maschinen in Einzelteilen den Berg hoch transportiert wurden! Und der Papiernachschub zu organisieren war! Vielleicht waren dies die Gründe für den baldigen Umzug ins Tal: Zehn Jahre später richtete Janett seinen Betrieb samt Setzerei und Buchbinderei in Strada ein, im heutigen Museumsgebäude.

 

«Fortschritt» aus der Druckerei

Über die Walzen der Presse liefen nicht nur die Druckbögen für zahlreiche kulturhistorisch bedeutende Schriften, natürlich vor allem in romanischer Sprache – viele davon in der Sammlung zu betrachten. Auch eine Zeitung namens «Il Progress» (deutsch: Der Fortschritt) wurde in Strada gesetzt und gedruckt. Die Zeit der Druckerei ist im Museum in zahlreichen Exponaten eindrücklich dargestellt. Zusätzlich zeigt die Druckerei einen Dokumentarfilm über das Museum und seine Ausstellung.

Zukunft zum Jubiläum

Nebst der Dauerausstellung fällt das Museum Stamparia mit attraktiven Wechselausstellungen auf, die weit über Strada hinaus ausstrahlen. Zum dreissigjährigen Jubiläum des Museums widmete sich das Ausstellungsteam dem Thema „3D-Druck: Wie eine Technologie unser Leben verändert“ (bis Okt. 2019). Andere Jahre waren es „Burgen und Schlösser im Engadin“ oder „Strada Turich retourn“; letztere nahm Bezug zur populären Fränzli-Musik, deren Instrumente in der Wohnstube des Museums zu bestaunen sind.

 

Wohnen in der letzten Bastion

Wie man sich die Wohnkultur in der Region zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert vorstellen muss, zeigt das Museum in sorgfältig hergerichteten Zimmern mit originalen Haushaltgegenständen. Die Situation ist authentisch, denn von 1881 an bewohnte und bewirtschaftete die Familie Scharplatz das geräumige Haus rund hundert Jahre lang; nebst der Druckerei führte sie einen landwirtschaftlichen Kleinbetrieb. Die Region bildete damals die letzte romanisch sprechende Bastion an der Grenze zum deutschsprachigen habsburgischen Tirol.

Do it yourself!

Wer selber Hand anlegen möchte, kann sich auf Voranmeldung ins Handwerk des Papierschöpfens einführen lassen, selber Papier herstellen und es mit einem Wasserzeichen adeln. Ist das Papier trocken, besteht sogar die Möglichkeit, den Bogen vor Ort zu bedrucken.